Donnerstag, 15. Januar 2015

Lesen als Herausforderung

Als langjähriger Bücherfreund habe ich schon immer sehr gerne gelesen. Bücher waren für mich seit jeher neue Welten, in die ich mit meiner Phantasie abtauchen konnte. Und das gilt nicht nur für Romane und Biographien, sondern in ähnlicher Weise für Sachbücher und Abhandlungen aller Art.

Vor ein paar Tagen bin ich über eine wunderbare Beschreibung gestolpert. Hanniel Strebel bezeichnete ein Buch, das er gelesen hatte, als „steile Bergtour“. Ja, auch ich kenne diese Bücher, die eine steile Bergtour sind. Im Rückblick würde ich sagen, dass das vierbändige Hauptwerk Immanuel Kants über die Möglichkeiten und Grenzen der Vernunft, das ich im Zuge meines Theologiestudiums (freiwillig) gelesen habe, die vermutlich steilste Bergtour meines bisherigen Leselebens war.

Für mich ist Lesen eine Sache, die mich in vielen Bereichen meines Lebens wachsen lässt. Was mache ich, um vom Lesen möglichst viel profitieren zu können?

1.) Ich lese regelmäßig und viel
Im Durchschnitt lese ich pro Jahr um die 50 Bücher. Um ein „Buch“ zu sein, muss es nicht unbedingt sehr dick sein. Rein gefühlsmäßig fängt für mich ein Buch bei etwa 30 Seiten an, wobei eine Zeitschrift dennoch kein Buch ist, auch wenn sie häufig mehr als 30 Seiten hat. Alles in allem lese ich so ungefähr 1500 Seiten an Bücher im Monat. Einen Teil davon macht selbstverständlich meine tägliche Ration Bibel in der nicht sehr stillen „Stillen Zeit“ aus. Dies mache ich seit einem halben Jahr nach der Methode von James Martin Gray, die ich hier vorgestellt habe.

2.) Ich lese in die Breite und Tiefe
Manchmal lese ich nur ein einzelnes Buch von einem Autor, manchmal auch eine ganze Reihe von Büchern, die zusammengehören. Manche Bücher sind aus der neusten Zeit und manche sind älter. Manche lese ich zum ersten Mal, andere frische ich wieder auf. Bei jedem Buch lerne ich die Welt des Autors kennen, versuche, mit seinen Augen zu sehen und in seine Schuhe zu schlüpfen. Ich will nicht nur Bücher lesen, bei denen ich zu allem „Ja“ und „Amen“ sagen kann, sondern möchte auch herausgefordert werden, neue Blicke auf die Welt zu bekommen. Meine Faustregel ist dabei ungefähr die, welche ich von C. S. Lewis übernommen habe und die ich hier zitiere: Pro Buch der neusten Zeit (bei mir heißt das: Das Buch wurde in der ersten Auflage innerhalb der letzten 30 Jahre verfasst) lese ich eines, welches davor geschrieben wurde. Das muss nicht immer 1:1 abwechseln in der Zeit, es kann auch eine neue Buchserie sein, die durch eine ältere Buchserie abgelöst wird.

3. Ich lese Bücher analog und digital
Wenn ich ein unbegrenztes Bücherbudget und unbegrenzt Platz im Bücherregal hätte, würde ich am allerliebsten jedes Buch „in echt“ kaufen. Echte Bücher sind für mich nur die analogen Bücher, die man in den Händen halten, richtige Seiten umblättern und das Papier riechen kann. Leider ist bei mir beides nicht zutreffend, somit lese ich halt – etwas grummelnd – auch digitale Bücher. Vor allem ältere Bücher gibt es immer mehr kostenlos in einem digitalen Format. Als PDF oder auch im Kindle-Format, für den mein Laptop auch einen Reader installiert hat. Hier ist meine Faustregel: Mindestens die Hälfte der Bücher will ich analog lesen. Von vielen Büchern gibt es in Online-Antiquariaten günstige Ausgaben, bei denen man fast nur das Porto bezahlen muss. Der Artikel hier (englisch) gibt mir übrigens recht, wenn ich vor zu vielen digitalen Büchern warne.

4. Ich lese ganz bewusst schwierige Bücher
Was ein schwieriges Buch ausmacht, ist natürlich individuell verschieden. Ich persönlich empfinde es als wichtig, meine intellektuellen Fähigkeiten durch das Lesen schwieriger Bücher immer wieder zu trainieren. Wir haben als Christen die Aufgabe, Gott nicht nur mit unseren Gefühlen und nicht nur mit unserem Tun, sondern auch mit dem Verstand zu lieben. Und natürlich andererseits nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit unseren Gefühlen. Dieser ganze Befehl gilt nicht nur für Einzelne, die halt „besonders intellektuell“ oder „besonders gefühlsmäßig“ veranlagt sind, sondern der gesamte Befehl gilt jedem einzelnen Christen. Und eine Art, wie man Gott mit dem Verstand lieben kann, besteht nun eben darin, sein intellektuelles Vermögen zu erweitern.

Ich vergleiche das gern mit meinem momentanen Lieblingssport: Dem Ausdauerlaufen. Wenn jemand auf einen Wettlauf hin trainiert, so ist es so, dass jeder Mensch eine individuelle äußerste Belastungsgrenze hat. Also eine Grenze, die durch seinen Körper vorgegeben ist. Aber bis zu dieser absoluten Grenze kann jeder ziemlich viel trainieren und sich mit dem entsprechenden Training sehr stark verbessern. Natürlich gesetzt den Fall, dass man bereit ist, die nötige Zeit und Kraft in dieses Training zu investieren. Wenn jemand auf einen Wettlauf trainieren will, so schreibt Hubert Beck in „Das große Buch vom Marathon“ folgendes: „Joggen kann fast jederzeit und überall ausgeübt werden. Mit relativ niedrigen Kosten kann das Hobby Marathon und Fitness von jedermann realisiert werden, der gesund ist und dafür durchschnittlich 1,5 Stunden pro Tag investiert.“ (S. 12)

Für das Hobby Marathon muss man also im Schnitt 1,5 Stunden pro Tag investieren. Das ist ungefähr so viel Zeit, wie ich mir persönlich an einem durchschnittlichen Tag fürs Lesen nehme. Ungefähr eineinhalb bis maximal zwei Stunden. Viel mehr Zeit bleibt mir dafür auch nicht. Vereinzelt auch noch an den Wochenenden etwas mehr, aber das ist eher die Ausnahme. Ich würde aber sagen, dass auch eine Dreiviertelstunde Lesen pro Tag sehr viel bringen würde, um die intellektuelle Fähigkeit weiterzuentwickeln.

5. Ich bereite mich auf das Lesen vor
Normalerweise bereite ich mich auf ein neues Buch vor, indem ich drei Dinge tue:
1. Ich lese auf Wikipedia den Eintrag zum Autor des Buches nach, wenn er genügend bekannt ist. Interessant sind für mich Informationen über die Zeit, in welcher der Autor lebte, den familiären Hintergrund und ein kurzer Lebenslauf, wo ich erfahre, in welchem Lebensabschnitt das jeweilige Buch geschrieben wurde.
2. Ich erstelle in OpenOffice eine neue Datei zum Buch. Dort kommen zuerst zwei bis vier der wichtigsten Stichwörter zum Autor rein.
3. Ich schaue mir das Inhaltsverzeichnis an und übertrage es ins OpenOffice-Dokument. Das Inhaltsverzeichnis sagt viel über das Buch aus: Wie wird es aufgebaut? Wie verläuft der Gedanke und die Folge der Argumente des Autors? Ich frage mich dabei: Würde ich auch so vorgehen? Was finde ich an der Herangehensweise interessant? Was will ich beim Lesen genauer wissen? Wo hat der Aufbau seine Schwächen?
Und dann beginnt der Leseprozess. Kapitelweise übertrage ich die wichtigsten Zitate in meine OpenOffice-Datei und gebe jeweils die Seitenzahl mit dazu an. Wenn ich am Ende das Gefühl habe, dass ich zum Buch eine Rezension veröffentlichen möchte, steht dann mein Gerüst bereits, es braucht nur noch etwas „Fleisch auf den Knochen“.


Dieses Jahr nehme ich mir als meine persönliche Herausforderung vor, Martin Heideggers Buch „Sein und Zeit“ zu lesen. Bisher hatte ich mir davon erst einzelne kurze Abschnitte zu Gemüte geführt. Und mit Hilfe der Trainingspläne im oben erwähnten Buch zum Marathon möchte ich versuchen, eine gute Zeit über 10km zu erreichen und vielleicht auch schon eine Halbmarathonstrecke am Stück abzujoggen (zweiteres wohl eher ohne Wettkampf).

Und was ist Deine persönliche „Challenge“ für 2015? Was war bisher Deine „steilste Bergtour“?

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