Samstag, 25. Oktober 2014

Bibliothek des Weltliteratur 3: Homers Odyssee

Schon wieder Homer? Mag sich der Leser fragen, der gut aufgepasst hat. Im letzten Monat bin ich kurz auf Homers Buch Ilias eingegangen. Die Odyssee ist gewissermaßen der Nachfolgeband der Ilias. Und dann doch auch wieder nicht. Es sind beides eigenständige Bücher, bei denen jeweils andere Personen und Ereignisse im Zentrum stehen. Ist Odysseus in der Ilias eine zwar wichtige, aber dennoch eher nebensächliche Figur, rückt er in der Odyssee in den Mittelpunkt. Die Ilias hört auf, bevor der Trojanische Krieg zu Ende ist. Man weiß noch nicht, wie er ausgeht. In der Odyssee erfährt man davon – allerdings erst nach einer Weile.

Die Odyssee ist spannend geschrieben – und zuweilen auch ein wenig verwirrend. Das ist Absicht, es gehört zu Homers Schreibstil, dass er gern mit Rückblicken und Parallelhandlungen arbeitet. So ist das Buch nicht linear aufgebaut, sondern eher wie ein Krimi, wo auch oft mit Rückblenden gearbeitet wird.

Am Anfang der Geschichte ist Odysseus auf der Insel Ogygia, wo ihn die Meernymphe Kalypso in einer Art Gefangenschaft hält. Bereits seit sieben Jahren befindet er sich dort, als die Götter auf dem Olymp beschließen, Odysseus soll befreit werden und nach Hause zurückkehren können. In der Zwischenzeit ist Telemachos, der Sohn von Odysseus, in Ithaka. Seine Mutter Penelope wird von vielen Männern bestürmt, die sie heiraten wollen. Sie jedoch will auf ihren Mann Odysseus warten. Die Göttin Pallas Athene geht nun zu Telemachos und erklärt ihm, dass sein Vater bald nach Hause kommen werde. Sie macht ihm damit Mut, seine Mutter weiterhin zu unterstützen und treu auf Odysseus zu warten.

Dann schickt der Göttervater Zeus seinen Boten Hermes los, um Kalypso klar zu machen, dass sie jetzt endlich Odysseus loslassen muss. Endlich lässt sie ihn ziehen. Odysseus baut sich ein Floß, mit dem er das Meer durchqueren will. Doch der Meeresgott Poseidon schickt einen Sturm – und das Floß kentert. Mit letzter Mühe kann sich unser Held auf das Festland Scheria retten. Dort ist die Heimat der Phaiaken. Er trifft Nausikaa, die Tochter des Phaiakenkönigs Alkinoos. Sie nimmt ihn in das Vaterhaus mit und damit beginnt der Hauptteil der Geschichte, nämlich die Erzählungen der Irrfahrt von Odysseus. Nun berichtet er von seinen Erlebnissen, die er mit Riesen, Zauberinnen, Sirenen, Rindern oder auch mal mit der griechischen Unterwelt, dem Hades, gemacht hat. Dieser Teil ist sehr unterhaltsam und bisweilen auch ein wenig spöttisch zu lesen.

Ab dem 13. Teil des Buches wird die Rahmenhandlung wieder aufgenommen. Odysseus ist nun zu Ende mit seiner Erzählung und wird nach Ithaka zu seiner Familie gebracht. Doch – Moment mal, da kommt er nicht einfach hin. Dort ist nämlich eine ganze Horde von Freiern, die noch immer seine Frau Penelope belagern. Odysseus ist noch nicht stark genug, um es mit ihnen aufzunehmen. So kommt Pallas Athene ein weiteres Mal und verwandelt ihn in einen Bettler. Als solcher kehrt er in sein eigenes Haus zurück, wo ihn niemand erkennt, stärkt sich und bereitet sich darauf vor, die Freier zu bekämpfen.

Am Ende besiegt er seine Feinde mit dem Bogen und gibt sich nun endlich auch seiner Frau zu erkennen. Diese jedoch will ihm erst gar nicht glauben. Sie wendet eine List an, indem sie befiehlt, man möge ihm das Bett, das inzwischen draußen stünde, vorbereiten. Daraufhin ist er gekränkt, weil er davon ausging, dass sein Bett noch immer an der alten Stelle war: „O Frau! Wahrhaftig! Ein herzkränkendes Wort hast du da gesprochen! Wer hat mir das Bett woanders hingestellt? Schwer wäre es, und wäre er auch noch so kundig, wenn nicht ein Gott selbst käme und es nach seinem Willen leicht an eine andere Stelle setzte. [...]“ (S. 301) Daran erkannte sie, dass es tatsächlich ihr Odysseus war – die Rückkehr ist nach langen 20 Jahren endlich vollendet.

Die Odyssee ist ein Roman. Ein Helden-Epos. Eine erfundene Geschichte. So viel ist klar. Und doch ist sie zugleich eine Geschichte, die von großer Menschenkenntnis zeugt. Es werden viele menschliche Leidenschaften angesprochen und der Umgang damit. Mich persönlich bewegt die von Homer erzählte große Treue von Odysseus und Penelope. Zunächst ist da die Frau, die 20 Jahre nach dem Fortgang ihres Mannes in den Krieg auf ihn wartete, obwohl sich ihre Halle Tag für Tag mit einer großen Auswahl an Männern füllte, die sie alle heiraten wollten. Sie hätte sich bloß für einen von ihnen entscheiden müssen. Ihr Mann war verschollen, von den meisten seiner Kollegen im Krieg war schon längst die Kunde ihres Todes im Umlauf. Und sie wartete geduldig auf ihren Mann. Und dann ist da der große Held Odysseus, der starke Mann, der alles tat, um möglichst schnell zu seiner Frau nach Hause kommen zu können. Auch er war begehrt – er hatte unterwegs viele Möglichkeiten, sich zu verweilen.

Und dann gibt es auch in dieser Geschichte eine Menge, die wir fürs Leben als Nachfolger Jesu Christi lernen können. Manchmal ist die Sünde wie die Sirenen in der Odyssee. Es gibt zwei Arten, wie man sich vor ihnen schützen kann: Entweder man verstopft sich die Ohren und hört nicht hin, oder aber man lässt sich an den Schiffsmast fesseln. Das Zweite kommt jedoch auch bei Odysseus einer Folter gleich. Die Sirenen singen, rufen und locken unwiderstehlich. So ist auch die Sünde. Wenn wir unsere Ohren und Gedanken nicht mit etwas Besserem verstopfen, wird sie uns foltern – oder auf den Klippen auflaufen lassen.


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