Donnerstag, 25. Dezember 2014

Den Glauben verstehen

Liebe Leserinnen und Leser,

zuerst einmal allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Gott wurde Mensch, um uns mit Sich Selbst zu versöhnen. Welch ein Vorrecht, das zu wissen und davon anderen Menschen erzählen zu dürfen.

Doch häufig hört man, dass dies gar nicht so einfach ist. Viele Gläubige haben aufgehört, davon zu erzählen, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es gibt aggressive Gegner, von denen man schnell abgekanzelt wird. Das kann aber auch daran liegen, dass wir uns selbst noch zu wenig Gedanken gemacht haben, wie wir überzeugend von Jesus Christus erzählen können. Darüber habe ich mir dieses Jahr viele Gedanken gemacht und mich deshalb auch entschlossen, dieses Projekt in Angriff zu nehmen.

So habe ich einen Zweitblog begonnen, den ich diesem Projekt widmen werde: Den Glauben verstehen und verständlich machen lernen. Dort werde ich versuchen, möglichst viele Fragen zum Glauben zu beantworten. Dazu ist aber auch jeder Leser gefordert, mir dabei zu helfen. Wo sind Eure Fragen? Wo stoßt Ihr an Grenzen? Was ist nur sehr schwer verständlich? Ich habe in diesem Zweitblog eine Mailadresse hinterlegt, an die alle diese Fragen gemailt werden können und bitte um rege Teilnahme. Gern darf die dazugehörige Facebookseite auch geliket, sowie das Projekt bekannter gemacht werden.

Liebe Grüße
Jonas


Donnerstag, 18. Dezember 2014

Rückblick und Ausblick

Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Ich möchte allen Lesern herzlich danken fürs Mitlesen, Mitdenken und auch für die zahlreichen Rückmeldungen auf allen Kanälen. Den heutigen Post möchte ich dazu nutzen, auf das (bald) vergangene Jahr zurückzublicken und auch ein wenig zu versuchen, ins kommende Jahr hineinzuschauen.

Die meistgelesenen Posts von 2014
Zuerst mal eine Auswahl der am häufigsten aufgerufenen Posts, die ich 2014 geschrieben habe. Dabei habe ich die Anzahl der Aufrufe und die Dauer seit der Veröffentlichung berücksichtigt. Als besonders beliebt hat sie die Blogserie über Lobpreiskultur und Lobpreisleitung herausgestellt. Und dabei hat insbesondere der letzte Teil, das Interview aus der Praxis, in kurzer Zeit alle Rekorde gebrochen. Hier noch einmal die Serie:


Hierbei ist Teil 6 der beliebteste Blogpost von 2014. Hier in geordneter Reihenfolge noch der Rest der Top Ten:


2. Bibliothek der Weltliteratur
Unter dem Titel „Bibliothek der Weltliteratur“ habe ich im August diesen Jahres eine neue Serie angefangen. In dieser stelle ich wichtige Bücher der erzählerischen Literatur (Kurzgeschichten, Romane, Autobiographien, Tatsachenberichte, und so weiter) vor, welche einen gewissen Einfluss auf unsere Kultur und Vergangenheit hatten. Ich versuche dabei jeweils ein paar allgemeine Infos zum Werk selbst zu geben, und dann in wenigen Stichworten eine Stellungnahme aus biblischer Sicht zu machen. Dies plane ich fortzusetzen, und zwar weiterhin ungefähr jeden Monat ein Werk. Für 2015 plane ich mal grob die Zeit vom 13. - 17. Jahrhundert abzudecken. Vorschläge mit einer guten Begründung, warum dieses Werk unsere Kultur stark beeinflusst hat, nehme ich gern entgegen.
Fest eingeplant ist dabei bisher: Geoffrey Chaucers Canterbury Tales, Thomas Morus' Utopia, Blaise Pascals Pensées, Edmund Spensers A Faerie Queene, Dante Alighieris Göttliche Komödie und John Bunyans Pilgerreise. Weitere habe ich im Kopf aber bin mir noch nicht ganz sicher, lasse mir also gern Vorschläge machen.

3. Gedichte
Die Gedichte auf meinem Blog erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Dieses Jahr sind jedoch nicht allzu viele neue hinzugekommen. Vielleicht ändert sich das ja wieder. Bei mir klappt das nicht auf „Knopfdruck“, sondern ergibt sich halt wann und wie es sich ergibt. Da ich schon mehrmals Anfragen dazu erhalten habe, ob es mal einen Gedichtband gibt: Ich habe nicht vor, damit Geld zu verdienen. Überlegt habe ich mir jedoch schon öfter, einen PDF-Band mit einer Auswahl zu machen, zum kostenlosen Download. Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, passende Illustrationen dazu zu erstellen oder überhaupt die bisherigen zu sichten und zu überarbeiten. Ich hoffe aber, irgendwann dazu zu kommen oder jemanden zu finden, der eine ähnliche Vision dazu hat und mir dabei hilft.

4. Bücher
Ein nicht unwesentlicher Teil meines Lebens besteht aus Büchern. Seit früher Kindheit (lesen und schreiben im Vorschulalter gelernt) sind mir Bücher mehr als ein Hobby. Und je mehr Seiten ein Buch hat, desto interessanter finde ich es. Wobei ich jetzt zugeben muss, dass ich so vielbändige Werke wie etwa die Kirchliche Dogmatik von Karl Barth nicht am Stück lese, sondern immer mal wieder kapitelweise. Wer mir eine Freude machen möchte, kann dies immer mit Büchern tun. Auf Amazon habe ich einen öffentlichen Wunschzettel angelegt, der ständig überarbeitet wird. Wer mir also eine Freude machen möchte, darf mir gerne etwas vom Wunschzettel schenken. Gerne auch gebraucht (wenn ich ein Buch gelesen habe, dann ist es unverkäuflich, weil sein Wert durch meine Unterstreichungen und zahlreichen Randnotizen vervielfacht wurde).
Ich lese sehr gern Bücher von erfahrenen Predigern, die über die Praxis des Vorbereitens und Haltens von Predigten schreiben. Ich versuche, jedes Jahr zwei davon zu lesen: Bisher jedes Jahr einmal das Gleiche: D. Martyn Lloyd-Jones - Die Predigt und der Prediger lese ich seit 2007, dem Jahr meiner ersten Predigtversuche, jedes Jahr aufs Neue mit viel Gewinn. Es gibt kein zweites Buch neben der Bibel, das ich so oft gelesen habe. Und dazu möglichst jedes Jahr noch ein weiteres Neues dazu. So etwa 2013: John MacArthur – Rediscovering Expository Preaching, 2014: John R. W. Stott – Between Two Worlds: The Art of Preaching in the Twentieth Century und plane für 2015: David Helm – Expositional Preaching: How we speak God's Word Today.

5. Bücher Top Ten 2014
Da dies immer viele Leser interessiert, was andere Leser gerne lesen, hier noch eine Auswahl. Ich habe da echt Mühe, mich zu entscheiden, deshalb zu jedem Buch eine kurze Begründung.

1. Robert Letham – The Holy Trinity Dieses Buch habe ich im November vorgestellt. Es war das Buch, welches mich dieses Jahr am stärksten mitgerissen hat. Wirklich ein Genuss zu lesen mit sehr viel Tiefgang und Ausrichtung an der Praxis.
2. Douglas Groothuis – Truth Decay Auch dieses Buch habe ich hier schon vorgestellt. Mit Lesen habe ich bereits 2013 begonnen. Es ist sehr gut geschrieben, aber es braucht seine Zeit, um das Gelesene zu verdauen und darüber nachzudenken.
3. Mortimer Adler – How To Read A Book Noch eins, das ich hier verewigt habe. Adlers Buch hat vor allem bewirkt, dass ich begonnen habe, noch sorgfältiger zu lesen. Manches davon habe ich ja davor schon so praktiziert – aber nicht systematisch.
4. John Piper – Think! Dieses Buch gibt es kostenlos zum Download als PDF oder auch für mobile Endgeräte. Es geht darum, wie man Gott mit ganzem Verstand lieben kann. Sehr gut und absolut empfehlenswert.
5. John Piper – Bloodlines Noch einmal John Piper. Noch einmal kostenloser Download. Es geht um die Themenbereiche Rassismus, Kultur, Vielfalt und was das Evangelium damit zu tun hat. Das Buch hat mir eine zusätzliche neue Perspektive der Gemeinde Jesu Christi eröffnet.
6. Clive Staples Lewis – Narnia Dieses Jahr habe ich im Sommer erstmals den kompletten Narnia-Sammelband auf englisch gelesen. Das ist noch einmal ein ganz anderes Erlebnis als die einzelnen Bände in der deutschen Übersetzung.
7. William Lane Craig – Reasonable Faith Hiervon habe ich die Kindle-Ausgabe gelesen. Kann ich auch sehr empfehlen. Craig ist einer der besten christlichen Apologeten, der häufig auch Debatten mit Atheisten führt – und gewinnt.
8. Colin Duriez – Francis Schaeffer – An Authentic Life Duriez hat eine Biographie über Francis A. Schaeffer geschrieben. Jede Seite des Buches hat in mir Sehnsucht nach einem neuen Schaeffer geweckt: Einem Mann, der Gottes Wort und die Fragen der jungen Menschen ernst nimmt.
9. David Murrow – Why Men Hate Going To Church Auch als Kindle-Buch gelesen. Man kann sich jetzt über manche Aussagen streiten, aber ich glaube in vielem hat er recht. Es geht um die (auch bei uns) stark zunehmende Feminisierung der Gemeinden und was man dagegen machen kann.
10. David Remnick – Barack Obama Endlich habe ich mir die Zeit genommen, dieses seit Langem in meinem Regal stehende Buch zu lesen. Es ist sehr gut geschrieben, es macht Freude, das Buch zu lesen, wenngleich es zeitweise eher einer Hagiographie als einer objektiven Biographie gleicht. Und obwohl ich politisch (nach wie vor) sehr vieles kritisch sehe, habe ich daraus einiges lernen können. Die 950 Seiten sind dank des wirklich guten Schreibstils (Remnick hat 1994 den Pulitzer-Preis gewonnen) erstaunlich schnell gelesen.

6. Ausblick
Im Moment und auch fürs kommende Jahr beschäftigen mich zwei größere Themenfelder: Einerseits Kultur und Evangelium (was hat das Evangelium unserer Kultur zu sagen; wie können wir das Evangelium nutzen, um unsere Kultur zu beurteilen; wie können wir Gottes Wort verständlich machen, ohne es zu verwässern?) und die Lehre vom Heiligen Geist. Ich werde versuchen, zu zeigen, warum der Heilige Geist ganz Gott ist und warum Er eine eigene Person der göttlichen Dreieinigkeit ist, aber auch, warum das so wichtig ist für unser Leben als Gläubige und welche praktischen Konsequenzen sich daraus für unser Leben ergeben. Daneben wird es natürlich wie bisher auch weitere Themen geben: Aus der Gesellschaft, dem täglichen Leben, dem Lesen und der Kunst.


Dienstag, 16. Dezember 2014

Zum 300. Geburtstag von George Whitefield


Heute vor 300 Jahren, am 16. Dezember 1714, ist George Whitefield geboren. George Whitefield? Wer soll denn das sein? Leider ist er schon länger nicht mehr so bekannt wie er sein sollte. Er war einer der größten und gesegnetsten Evangelisten des 18. Jahrhunderts. Millionen von Menschen haben ihn predigen gehört; und das ist etwas Spezielles – gab es doch damals weder Lautsprecher noch Rundfunk, Fernsehen oder gar Internet.

George Whitefield wuchs unter einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater starb, als George zwei Jahre alt war. Acht Jahre später heiratete seine Mutter Elizabeth ein zweites Mal, doch diese Ehe war so schwer, dass sie es nicht lange mit diesem zweiten Mann aushielt. Obwohl das „Bell Inn“, der Gasthof, den sie führte, ziemlich erfolgreich und beliebt war, ging es mit dem Geschäft in der zweiten Ehe beständig abwärts, bis es so schlecht lief, dass George, der inzwischen an der Lateinschule war, diese abbrechen musste, um zu Hause im Gasthof mitzuhelfen. George war damals 15 Jahre alt. Kurz darauf verließ Elizabeth ihren zweiten Mann. George folgte ihr und sie lebten deswegen sehr einfach.

Da er sich kein Studium einfach so aus dem Ärmel schütteln konnte, verdiente er es sich als Diener der reicheren Studenten, die ihm für seine Dienste (er weckte sie, putzte die Zimmer, machte ihnen Besorgungen, und so weiter) ihre alten Bücher fürs Studium und etwas Geld gaben. In dieser Zeit in Oxford lernte er die Brüder John und Charles Wesley kennen, die als Gründer der Metodistenkirche bekannt sind. Um diese beiden Brüder herum sammelte sich eine kleine Gruppe von Leuten, die mit dem Glauben besonders ernst machen wollten. Sie wurden deshalb als „Holy Club“ (Heiliger Verein) und als „Methodisten“ verspottet. In diesem Kreis auferlegten sie sich strenge Pflichten wie das regelmäßige Fasten, gemeinsames Lesen von Erbauungsliteratur, sowie das Führen eines Tagebuchs mit regelmäßiger Selbstprüfung. In seinem Eifer schoss der junge George dabei weit über das Ziel hinaus, bis er durch seine asketischen Übungen krank wurde. Dann endlich fand er den echten Frieden mit Gott – nicht durch Selbstkasteiung, sondern durch die Gnade allein.

Noch während seines Magisterstudiums wurde er von einem befreundeten Pfarrer gebeten, ihn für zwei Monate in London zu vertreten. In dieser Zeit kamen immer mehr Leute in diese Kirche, die den jungen Mann über die neue Geburt sprechen hören wollten. Kurze Zeit später dasselbe wieder, als er dann auch nach Dummer gerufen wurde, um auch dort jemanden zu vertreten. In dieser Zeit wuchs sein Entschluss, er wolle als Missionar nach Georgia über den großen Teich reisen. Doch noch während er sich auf die Reise in die Staaten vorbereitete, gab es plötzlich über Nacht eine Erweckung: Überall, wo er durchreiste und sich verabschieden wollte, wurde er gebeten, zu predigen – und überall wurden von seiner Predigt riesige Massen von Menschen angezogen und viele Herzen aufgeschreckt.

Nach mehreren Monaten Verzögerung konnte er endlich einschiffen und fuhr über den großen Teich in die Staaten. Inzwischen war aber noch etwas anderes passiert: John Wesley, der sein Studium schon früher beendet hatte, war auch als Missionar nach Georgia gereist. Und genau in der Zeit, als Whitefield darauf wartete, dass sein Schiff auslaufen konnte, kehrte Wesley zurück. Ihm war in der Zeit in Georgia bewusst geworden, dass er selbst auch noch eine echte Wiedergeburt nötig hatte. Whitefield kam in die Staaten und predigte in Georgia mehrmals täglich auf den Plätzen, besuchte die Leute, gründete zwei Schulen, und sein Herz wurde vor allem für eine Tätigkeit vorbereitet, die ihn den Rest seines Lebens begleiten sollte: Er wollte in Georgia ein Waisenhaus gründen.

An der Stelle möchte ich kurz innehalten und über etwas nachdenken, was wir von vielen Menschen lernen können, die in der Welt etwas bewegt haben. Der Management-Experte Fredmund Malik hat dafür viele Biographien studiert und sagt etwas ganz Wichtiges dazu: „Das Wesentliche ist, sich auf Weniges zu beschränken, auf eine kleine Zahl von sorgfältig ausgesuchten Schwerpunkten, wenn man an Wirkung und Erfolg interessiert ist.“ (Malik, Fredmund, Führen, Leisten, Leben, Campus-Verlag, 2. Aufl. 2006, S. 110) Bei George Whitefield wird das gut sichtbar, es gab für ihn nämlich ganz exakt zwei Schwerpunkte, auf die er sich spezialisiert hatte: Das Evangelium predigen und Geld sammeln für sein Waisenhaus in Georgia. Und diese beiden Dinge konnte er gleichzeitig machen. 13 Mal hat er unter großen Strapazen den Ozean überquert, der Europa von Amerika trennt, und was ihn dazu getrieben hat, war seine Sorge um sein Waisenhaus. Vermutlich wäre die große Erweckung in den amerikanischen Staaten nicht so schnell und so stark ausgebrochen, wenn Whitefield nicht dort gewesen wäre. Und vermutlich wäre er nicht dort gewesen, wenn er sein Waisenhaus in Georgia nicht gehabt hätte. Ich glaube, dass wir hier einiges zu lernen haben: Uns auf bestimmte einzelne Dinge – unsere Stärken – zu beschränken, diese dafür umso mehr zu trainieren, und nicht mehr alles selbst in der Hand haben zu wollen.

Als Whitefield nach England zurückkam nach seiner ersten Reise, war die Lage verändert. Er konnte zunächst noch in verschiedenen Kirchen predigen, aber immer mehr Pfarrer wurden ihm feindlich gesinnt, weil er so offen und kompromisslos von der Notwendigkeit der Wiedergeburt sprach. Immer öfter wurden ihm die Kanzeln verboten. So wagte er eines Tages den Schritt ins Freie. Durch diesen Schritt wurde eine Grenze gesprengt: Waren seine Predigten bisher durch die Größe der Kirchen begrenzt, konnten jetzt viel mehr Leute kommen, um ihm zuzuhören. Nach kurzer Zeit waren es schon mehrere tausend Zuhörer, die kamen, um ihn zu hören. So ähnlich hört sich der Rest seines Lebens an. Er predigte – wohlgemerkt: ohne Mikrophon, ohne Verstärker und Lautsprecher – vor riesigen Mengen. Einmal müssen es um die 80'000 Personen gewesen sein, die gekommen waren, um ihn zu hören. Und seine Stimme war laut und durchdringend: Sie konnten ihn alle hören.

Als Whitefield 26 Jahre alt war, heiratete er Elizabeth James, eine Witwe, die er bei seinen Reisen in Wales kennengelernt hatte. Sie war zehn Jahre älter als er. Auf mehrere Reisen begleitete sie ihn zunächst, so etwa auch auf die dritte Amerikareise. Später hörte sie jedoch damit auf, ihn dabei zu begleiten. Benedikt Peters schreibt dazu: „Mrs. Whitefield begleitete ihren Mann auf seinen zwei nächsten größeren Reisen: Auf seiner dritten Fahrt nach Amerika und einmal nach Schottland. Danach zog sie es aber vor, zu Hause zu bleiben. Das muss für sie weniger schwer gewesen sein. Jede Frau eines reisenden Reichsgottesarbeiters kennt dieses Dilemma. Sie ist gerne mit ihrem Mann zusammen; wenn sie aber mit ihm auf Dienstreise ist, so ist sie zwar bei ihm, und doch nicht bei ihm, weil der Dienst ihn meist so beansprucht, dass er keine Zeit für seine geliebte Frau hat. So findet sie es weniger schmerzlich, in der gewohnten Umgebung des Heimes zu sein und dort wenigstens die Ruhe zu haben, die sie auf den Reisen nicht findet.“ (Peters, Benedikt, George Whitefield, CLV, 2. Aufl. 2003, S. 263)

Nach vielen Jahren treuen und rastlosen Evangelistendienstes (es wird geschätzt, dass er insgesamt ungefähr 30'000 Predigten gehalten habe) zeigte sich, dass der Mensch auch Raubbau mit seinem Körper treiben kann. Täglich viele Kilometer zu reisen und mehrmals pro Tag zu großen Mengen von Menschen zu sprechen, belastet den Körper auf Dauer sehr. Die meisten Prediger und Pastoren kennen auch das Dilemma der selbständig einzuteilenden Zeit: Zeit für die Gemeinde, Zeit für die Familie, Zeit für gesellschaftliche Verpflichtungen, Zeit für sich selbst. Das ist immer wieder neu zu bedenken. Whitefield war mit 55 Jahren verbraucht. Brennend für Gott, die Rettung von Sündern und Gottes Reich – aber auch ausgebrannt. So starb er auf der siebten Reise in Amerika am 30. September 1770 um 6 Uhr früh. Noch am Abend davor hatte er unter großer Anstrengung gepredigt – in der Nacht hatte er mit Asthmaanfällen zu kämpfen und ging heim in die Ewigkeit.

Wer nach diesem kurzen Überblick Lust auf mehr bekommen hat, findet bei CLV das oben zitierte Buch von Benedikt Peters – entweder zum Kauf als Hardcover oder als kostenloser PDF-Download.


Donnerstag, 11. Dezember 2014

Bibliothek der Weltliteratur 5: Parzival von Wolfram von Eschenbach


Mal wieder ein Griff in die Bibliothek der Weltliteratur: Heute möchte ich das Buch Parzival von Wolfram von Eschenbach vorstellen. Parzival ist einer der wichtigsten und bekanntesten Romane des Hochmittelalters. Vermutlich wurde dieser Roman im ersten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben und war danach weit verbreitet. Er ist ein mittelalterliches Heldenepos in Versform. Die Übersetzung von Karl Simrock aus dem Mittelhochdeutschen ist leicht verständlich und lässt sich so auch flüssig lesen, obwohl auch sie in Versform gehalten ist.

Was ist das Ziel des Romans? Wolfram möchte seinen Lesern, wie er in seinem ausführlichen Vorwort erklärt, die ritterlichen Tugenden nahebringen. Er stellt fest, dass im Leben vieler Menschen Widersprüchliches vorhanden ist: Verzagtheit und Kühnheit, Treue und Untreue. Diese Widersprüche vergleicht er mit dem Gefieder einer Elster, das zugleich schwarze und weiße Teile trägt. Deshalb möchte er mit seinem Roman die Tugenden Weisheit, Treue, Mut, und so weiter lehren. Diese Lehren sind nicht nur an Ritter (oder Männer allgemein) gerichtet, sondern auch an alle Frauen:
Aber nicht allein den Mann
Gehn alle diese Lehren an;
Ich stecke dieses Ziel den Frauen:
Die meinem Rate will vertrauen,
Die wisse wohl, wohin sie kehre
Ihren Preis und ihre Ehre
Und welchem Mann sie sei bereit
Mit ihrer Lieb und Würdigkeit,
Auf dass sie nicht gereue
Ihrer Keuschheit, ihrer Treue.“
(2,23 – 3,2)

Zuerst erzählt Wolfram die Geschichte von Parzivals Vater Gahmuret. Dieser war der zweitgeborne Sohn des Königs Gandin von Anschau (Anjou), weshalb er beim Tod des Vaters kein Erbe erhielt. So zog er umher und ließ sich von verschiedenen Leuten zu ihren Diensten anwerben. Bei einem dieser Dienste, als er in Baldag (Bagdad) der dunkelhäutigen Königin Belakane half, war sie bereit, ihn zu heiraten. Doch noch bevor ihrer beider Sohn zur Welt gekommen war, hatte sich Gahmuret wieder auf den Weg gemacht. Er hatte bei der Königin in Bagdad zu wenig Abenteuer und Kämpfe zu bestehen, weshalb er ihr untreu wurde und sie bei Nacht und Nebel verlassen. Der Sohn, der aus dieser Verbindung zur Welt kam, war schwarz und weiß gefleckt, wie eine Elster.

Im zweiten Teil ist Gahmuret wieder auf europäischem Boden. Ein großer Teil der Erzählung ist einem Ritterturnier gewidmet, nach welchem Gahmuret Herzeleide, die Königin von Waleis, ehelichte. Doch auch hier war er relativ bald wieder unterwegs. Auch hier hinterieß er einen noch ungeborenen Sohn, den Parzival, und ging wieder in den Nahen Osten, wo er daraufhin bei einem Kampf sein Leben verlor. Herzeleide war durch die Nachricht von seinem Tod sehr betrübt, sodass sie ihren Sohn Parzival davor schützen wollte, die Grausamkeit des Lebens am Hof (oder als Ritter) kennenlernen zu müssen. Sie zog in einen Wald, wo sie ihn erzog und versuchte, zu vermeiden, dass Parzival je einen Ritter sah. Doch es kam wie es kommen musste: Parzival sah eines Tages Ritter durch den Wald reiten – und schon war es um ihn geschehen: So einer wollte er werden.

Der Rest der Geschichte zeigt die Erfahrungen, die ein junger Ritter machen musste, der nicht am Hof und in den ritterlichen Tugenden erzogen worden war. Er lernte durch viele Fehler und häufig sind seine Erlebnisse ebenso komischer wie tragischer Art. Er ist der tragische Held der Geschichte, der die Lehren des Lebens auf die harte Tour lernen musste, dadurch aber über sich selbst hinauswächst und am Ende kann es nur noch sein Halbbruder Feirefiss – der Sohn der Königin Belakane – mit ihm aufnehmen. Sie geben sich einander gegenseitig zu erkennen und schließen Frieden:
Der reiche Feirefiss begann:
"Held, bei deiner Zucht, sag an,
Da dir ein Bruder leben soll,
Wie sieht der aus? Du weißt es wohl.
Beschreibe mir sein Angesicht;
Seine Farbe hehlte man dir nicht."
Da sprach den Herzeleid gebar:
"Wie beschrieben Pergament fürwahr,
Schwarz und weiß dort und hier;
Ekuba beschrieb ihn mir."
"Der bin ich," versetzt der Heide.
Nicht lange säumten sie da beide,
Feirefiß und Parzival,
Von Helm und Härsenier zumal
Entblößten sie sich gleich zur Stund.
Parzival fand lieben Fund,
Den liebsten, den er jemals fand.
Den Heiden hatt er bald erkannt:
Sein Antlitz zeigte Elsternfarben.
Hass und Groll im Kuss erstarben
Dem Getauften und dem Heiden.
Freundschaft ziemt' auch besser beiden
Denn ihnen stünde Hass und Neid.
Treu und Liebe scheid den Streit.
Mit Freuden sprach der Heide da:
"O wohl mir, dass ich dich ersah, [...]“
(747,19 – 748,14)

Eine zweite Geschichte ist mit der des Parzival verflochten: Gawan steht Parzival gegenüber. Während Zweiterer alles selbst lernen musste, hatte Ersterer eine solide Ausbildung in jungen Jahren gemacht.

Was gefällt mir an Parzival?
Parzival ist ein spannender Roman, der tatsächlich viel Weisheit fürs Leben enthält. Hier wird dem Leser die Ehrlichkeit, die Treue (gerade eheliche Treue – denn die Liebe ist am Ende das, was die erfolgreichen Ritter siegen lässt), der Mut, die Freundlichkeit und Höflichkeit, der Durchhaltewillen, das Dranbleiben, die Demut und viele weitere wertvolle Tugenden nahegebracht. Viele Tugenden, die heutzutage immer mehr verloren gehen, können bei Wolfram schätzen gelernt werden. Außerdem zeigt uns Parzival, dass das Lernen dieser Dinge in den jungen Jahren wertvoll ist und viele spätere Schwierigkeiten erspart. Auch an heutige Eltern ist das ein wertvoller Appell.

Es gibt zahlreiche Anspielungen auf die Bibel. So muss Gawan ein Schloss erobern, das unter der Herrschaft böser Mächte steht. Am Ende wird er von einem Löwen angegriffen. Er attackiert den Löwen, besiegt ihn mit dem Schwert und landet am Ende auf dem Schild, welcher sein Schutz ist. Die Hinweise auf 1. Petrus 5,8 und Epheser 6,16 sind hier mehr als deutlich.

Auch die Ästhetik des Textes spricht mich an. Ich habe den mittelhochdeutschen Text nur knapp in einzelnen Fällen konsultiert, dafür ist aber auch die Simrock'sche Übersetzung an Sprachgewalt kaum zu überbieten.

Das Buch lässt sich übrigens im Projekt Gutenberg vom SpOn online lesen: Link.


Freitag, 5. Dezember 2014

Jona – ein kleiner Mann mit einem großen Gott


„Aaah, der Typ mit dem großen Fisch!“ So strahlten mich häufig die Menschen an, wenn ich mich ihnen als „Jonas“ vorstellte. Eine Weile war das für mich der Horror – verband ich doch mit dieser Gestalt des Propheten Jona zwei andere Dinge: Ein Mann, der vor Gott wegläuft – und ein Mann, der Gott Vorwürfe macht, Er sei zu gnädig und barmherzig. Nach langer Zeit des Lesens und Forschens im Buch Jona bin ich auf weitere Schwerpunkte gestoßen: Jona war vor allem ein ganz normaler Mensch – ein einfacher, kleiner Mann mit einem großen Gott. Und noch eines mehr: Ein Prediger, der eine riesige Erweckung auslöste. Wohl die größte Erweckung der Weltgeschichte. Wer könnte von sich behaupten, dass aufgrund einer einzigen Predigt auf einen Schlag über 120'000 Menschen zum Glauben gekommen seien? Im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit diesem biblischen Propheten ist folgendes Gedicht entstanden.

1. Flucht
Einst redete zu Jona schon,
das war des Amittaiens Sohn,
der Herr des Himmels und trug ihm auf:
„Geh hin, jetzt mach dich auf und lauf
nach Ninive, der großen Stadt!
Nimm vor den Mund auch ja kein Blatt!
Ihr Tun ist stetig ungerecht;
sie übertreffen sich an dem, was schlecht
und böse ist vor Mir!“ Da geht
der Jona hin und steht
am Hafen Japho, sucht ein Schiff,
noch ehe man's genau begriff,
schon ist er weg, gen Tarsis hin.
Ist's jetzt schon aus vor dem Beginn?
Doch der Herr ist nicht am Ende;
Er fängt erst an und bringt behende
einen großen Sturm aufs Meer –
das Boot, es rüttelt und schüttelt sehr.
Da werden auch die Heiden fromm,
nur Jona nicht, denn er erklomm
ein Bett im unteren Schiffe
als ob er all das nicht begriffe.
Der Wogen Macht lässt süß ihn träumen
und während oben Wellen schäumen,
liegt er und ruht sich friedlich aus,
als wäre er im Bett zu Haus.
Der Kapitän will's nicht begreifen;
er tritt zu ihm, kann nicht verkneifen,
den Schlafenden zu wecken:
„Mein guter Mann, willst dich verstecken?
Nun los, ruf deine Götter an!“
Die Mannschaft machte sich sodann
ans Werk und machte Lose,
zu finden, wer für das Getose
die Verantwortung muss tragen:
Wen es trifft, geht’s an den Kragen.
Das Los – wie könnt es anders sein? –
fiel auf Jona ganz allein.
Die Seeleut wollten es nun wissen:
Hat dieser Typ uns doch beschissen?
Und einer rief: „Was soll'n wir tun,
damit die See wird wieder ruhn?“
„Werft mich“, sprach Jona, „doch hinein;
der Sturm soll nicht eu'r Ende sein!“
Doch mehr und mehr stieg an das Brausen,
ließ das Schiff von Welle zu Welle sausen.
Doch endlich packten sie Jona dort
und warfen ihn – Mann über Bord! –
ins wogenwütende Meer hinein.
Doch horch! – das kann doch gar nicht sein?
Der Sturm lässt nach, das Meer gestillt.
Ein Wunder! Nun sind die Seeleut gewillt,
dem Herrn von Himmel und Erde zu danken,
der Ruhe schenkt unter ihren Planken.

2. Rettung
Um Jona aus dem Meer zu retten,
sandte Gott einen dicken, fetten,
riesigen Fisch, der ihn sollte verspeisen,
um dann mit ihm ans Ufer zu reisen.
Auch Jona war dankbar dem Herrn:
„Ich rief und Du hörtest von fern!
Du rettetest mich vor dem Untergehen,
ich konnte den Tod schon vor mir sehen!
Mitten ins Meer sank ich hinunter
doch siehe, jetzt bin ich fit und munter!
Und wo mich das Seegras schon umgab,
da holtest Du mich aus dem Grab.
Ich schrie zu Dir – und mein Gebet
kam an, dort wo Dein Tempel steht.
Nun werd ich tun, was immer Du willst,
der Du die Stürme sendest und stillst.
Ich will den Menschen erzählen gern:
Die Rettung kommt allein vom Herrn!“
Nach drei Tagen war'n sie am Meeresrand,
der Fisch spie Jona nun an Land.

3. Erweckung
Und wieder kam ihm Gottes Wort:
„Nun los, mach dich auf von diesem Ort,
lauf nach Ninive hinein!“
Da machte sich Jona ganz allein
auf den Weg in die große Stadt,
die Gottes Zorn erreget hat.
Einen Tag lief er in die Stadt hinein
und rief: „Nur 40 Tage noch wird Ninive sein!“
Und die es hörten, glaubten sodann
an Gottes Wort und machten sich dran,
in ihre Häuser zu hasten,
suchten Sacktuch, begannen Fasten.
Auch der König der Stadt tat Buße.
Er ließ ausrufen mit königlichem Gruße:
„Jeder soll Sacktuch tragen, fasten, beten,
keiner den Weg des Unrechts betreten.
Vielleicht ist Gott noch umzustimmen,
wenn wir aufhören mit allem Schlimmen,
um Ihn zu suchen!“ Gott sah ihre Taten
und wusste: Die sind gut beraten!
Die Stadt, sie blieb noch länger bestehen:
Gott hat sie mit Gnade angesehen.

4. Zurechtweisung
Doch Jona konnte sich nicht freuen:
wie konnte Gott nur jenes gereuen?
Er wurde wütend, begann zu beten:
„Drum wollt ich Ninive nicht betreten!
Ich wusste doch um Deine Gnade,
dass Du es findest viel zu schade,
unsere Feinde zu zerstören.
Deshalb wollt ich nicht auf Dich hören.
Nun nimm mein Leben, lieber sterben,
als dies zu beichten meinen Erben.“
Und wieder machte sich Jona auf,
baute östlich der Stadt eine Hütte auf,
um aus der Nähe anzusehen,
was mit Ninive werde geschehen.
Da, sieh! Ein kleines Pflänzchen kommt hervor!
Wächst über Jonas Kopf empor.
Ein Rizinus, ein Schattenspender,
auf dass sich Jonas Zorn veränder'.
Und Jona freut sich: Ein Himmelszeichen!
Doch tags drauf schon muss es weichen.
Ein Wurm, am Morgen angekrochen,
hat den Rizinus gestochen.
Da heiß der Wind von Osten bläst,
fühlt sich Jona ganz verjäst.
Er hat schon wieder neue Wut:
Das mit dem Rizinus war nicht gut!
Da sprach der Herr: „Du zürnst mir nun?
Was hattest du am Strauch zu tun?
Macht dir die arme Pflanze Schmerzen?
Sollt ich da nicht von ganzem Herzen
der großen Stadt nur Gutes wollen?
Du siehst: Kein Grund hat all dein Grollen!
Sind hundertzwanzigtausend Leute
nicht mehr Wert als dein Rizinus heute?“

4.12.2014; Jonas Erne