Dienstag, 18. Februar 2014

Mortimer Adler – Wie man ein Buch liest

Nachdem ich mich bereits Ende letzten Jahres mit dem Lesen von Büchern befasst habe (siehe hier: http://jonaserne.blogspot.de/2013/12/gedanken-zum-lesen.html), war ich sehr interessiert daran, auch mal einen echten Profi dazu zu lesen. Über den amerikanischen Pastor und Theologen John Piper bin ich auf das Buch „How to read a book“ von Mortimer Adler gestoßen. Mehr als einmal empfiehlt Piper das Buch von Adler, so zum Beispiel, wo er in seinem relativ neuen Buch „Think!“ (kostenloser Download als PDF) schreibt:My most moving introduction to the exciting world of serious reading came from Mortimer Adler’s classic, How to Read a Book, which is still in print (and doing nicely at Amazon) seventy years after first being published in 1939.“ (S. 43).

Zunächst unterscheidet Adler zwischen zwei – besser gesagt drei – Arten von Lesen. Es gibt das Lesen rein zum Vergnügen, auf das er im Buch nicht weiter eingeht. Und dann gibt es zwei Arten von Lesen, die er klar unterscheidet: Das Lesen zum Gewinn neuer Information und das Lesen zum Gewinn neuer Erkenntnis. Der Unterschied – so könnte man ihn nennen – besteht zwischen dem passiven und dem aktiven Lesen. Wer passiv liest, meint schon von vornherein, dass er das Gelesene verstehen würde, in Wirklichkeit gewinnt er aber nur neue Information. Er kann nicht wirklich verstehen, was der Autor nun eigentlich sagen wollte und warum er das sagt.

Adler betont sehr zu Recht die Wichtigkeit der Bücher früherer Generationen. Er bedauert, dass dies nicht mehr als so wichtig betrachtet wird und nur noch den Historikern überlassen wird. Wer wissen will, wer wir sind und wie wir zu diesem jetzigen Dasein gekommen sind, wird nicht um die alten Bücher herumkommen. So kritisiert er auch das Schulsystem. Das Bildungssystem, so sagt Adler, und die Kultur erhalten sich gegenseitig aufrecht.

Nach den einführenden Kapiteln kommt Adler auf drei Wege des aktiven Lesens zu sprechen. Wer das aktive Lesen lernen wolle, müsse die drei Wege des Lesens zuerst separat lernen und üben, mit der Zeit würden sie aber leichter zusammenfallen. Dies sind die drei „Wege“:
1. der analytische Weg (der Weg vom Gesamten zu den einzelnen Teilen)
2. der synthetische Weg (der Weg von den Teilen zum Ganzen)
3. der evaluative oder kritische Weg (dabei wird der Autor und sein Bemühen im Buch kritisch unter die Lupe genommen)

Nun gibt es viele Regeln für diese drei Lesewege. Ich versuche sie möglichst kurz und einfach zusammenzufassen.

Für den ersten Weg des Lesens (analytisch) sind vier Fragen wichtig:
1. Worum handelt das Buch? Was ist das Hauptthema oder die Hauptthemen?
2. Was möchte das Buch als Ganzes über dieses Thema aussagen? (in einer kurzen Aussage)
3. Aus welchen Teilen besteht das Buch? Wie gehören diese Teile zusammen?
4. Welches Problem (oder welche Probleme) versucht es zu lösen?

Dazu kommt noch die Schwierigkeit, dass viele Bücher nur dann verständlich sind, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Büchern gelesen werden. So zum Beispiel bei Immanuel Kant sein Hauptwerk über die Vernunft, welches aus viel Bänden besteht, die nur im Zusammenhang mit einander verständlich werden. Oder es gibt Bücher, die als Antwort und Entgegnung auf andere Bücher geschrieben wurden. Und dazu kommt, dass Autoren oft dasselbe mit unterschiedlichen Worten beschreiben und verschiedene Dinge mit ähnlichen Worten. Das muss man dabei alles bedenken.

Für den zweiten Weg des Lesens (synthetisch) sind auch wieder vier Fragen wichtig:
1. Welches sind die wichtigen Worte und was bedeuten sie in diesem Buch?
2. Welches sind die wichtigen Sätze und was sagen diese aus? (jeweils in eigene Worte fassen)
3. Welche Argumente gebraucht der Autor, indem er diese wichtigen Sätze zusammensetzt?
4. Von all den Problemen, die der Autor lösen wollte, welche hat er denn nun tatsächlich erfolgreich gelöst?

Dann kommt der dritte Weg (kritisches Lesen):
Bei diesem Lesen geht es darum, dass man bei jedem Buch, das man liest, ein persönliches Urteil abgeben muss. Stimme ich dem Autor zu in seinen Schlussfolgerungen? Falls nicht, sind folgende Fragen hilfreich:
1. Habe ich verstanden, was der Autor nun tatsächlich sagen wollte? Falls nein, habe ich tatsächlich mit all meinen Möglichkeiten versucht, das Beste aus dem Buch zu holen?
2. Bin ich mir sicher, dass ich ehrlich sagen kann, dass ich den Bereich, den das Buch abdeckt, so gut kenne, dass ich mir erlauben kann, den Autor zu kritisieren?
3. Bin ich mir bewusst, dass eigentlich alle Unstimmigkeiten gelöst werden können? Wenn man sich darüber nicht im Klaren ist, kann man die Diskussion auch gleich bleiben lassen.

Wenn man mit dem Autor nicht übereinstimmt, so gibt es nach Adler nur vier mögliche Kritikpunkte:
1. Der Autor ist uninformiert, das heißt, ihm fehlen bestimmte Bestandteile, die zur Lösung seiner Probleme nötig wären.
2. Der Autor ist falsch informiert, das heißt, er geht von falschen Voraussetzungen aus und behauptet, Wissen zu besitzen, das er nicht besitzt.
3. Der Autor ist unlogisch, das heißt, er zieht aus den richtigen Informationen die falschen Schlüsse.
4. Die Analyse des Autors ist unvollständig, das heißt nicht, dass man das Thema noch beliebig erweitern könnte, sondern es bezieht sich darauf, dass für die Lösung seiner Probleme noch mehr Analysen gemacht werden müssten.

Das Buch schließt mit einem Überblick über das Lesen von guten Büchern und der Einführung in die Sammlung der „Great Books of theWestern World“, die unter anderem auch von Adler und Robert M. Hutchins zusammengestellt wurde. Diese Sammlung umfasst 54 Bände – in einer späteren Auflage wurde sie auf 60 Bände erweitert – und sollte meines Erachtens wirklich zu jeder guten gymnasialen Bildung dazu gehören.

Auch wenn mir manche der Regeln nicht ganz neu waren, habe ich dennoch enorm viel Neues dazulernen können. Insbesondere der Aufbau mit den drei Lesewegen finde ich hilfreich – und wünschte, man hätte mir dies schon an der Schule beigebracht. Ich möchte jedem, der gerne liest, dieses hilfreiche Buch ans Herz legen. Ich habe es auf englisch gelesen – kurz bevor ich damit zu Ende war, habe ich gesehen, dass man es auch auf deutsch kaufen kann. 

Übrigens hat vor Kurzem Hanniel Strebel im Blog von Josia - Truth for Youth - auch sehr hilfreiche Tipps zum gewinnbringenden Lesen gegeben.