Donnerstag, 21. Juli 2011

„Kein Kompromissdokument“?

„Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche. Darum ist es für jeden Christen und jede Christin unverzichtbar, Gottes Wort zu verkünden und seinen/ihren Glauben in der Welt zu bezeugen. Es ist jedoch wichtig, dass dies im Einklang mit den Prinzipien des Evangeliums geschieht, in uneingeschränktem Respekt vor und Liebe zu allen Menschen.“


Dies ist die Einleitung in den Verhaltenskodex „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“1. Dieser wurde während fünf Jahren von Abgeordneten des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog, des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) erarbeitet. Zugegeben, auf den ersten Blick hört sich das Dokument sehr gut an. Wurden doch insgesamt fünf Jahre und drei Sitzungen für das Verfassen dieses Dokuments benötigt. Doch ist dieser "Verhaltenskodex" tatsächlich kein Kompromissdokument, wie Prof. Dr. Thomas Schirrmacher2, Vorsitzender der Theologischen Kommission der WEA, dies ausdrückte3?


Viel Gutes wird angesprochen in dem Dokument. Es ist korrekt, dass alle Christen bereit sein sollen, Rechenschaft über ihren Glauben abzulegen (Grundlagen 1.) Es ist absolut richtig, dass ein solcher Dienst von Christen auch Menschen anderer Religionen ansprechen soll (Grundlagen 4.) Es stimmt, dass wir uns für Glaubens- und Religionsfreiheit in allen Ländern einsetzen sollen (Prinzipien 7.)


Dennoch möchte ich einige Anfragen an das Dokument, bzw. deren Ersteller, anzubringen versuchen. Eine erste solche geht an den Zweck des Dokuments. Dieses wird einerseits „Verhaltenskodex“ genannt, möchte somit mit einer gewissen Verbindlichkeit ernst genommen werden. Dies in besonderem Maße deshalb, weil unsere westliche Welt einen Kodex entweder als Gesetzbuch (römisches Recht) betrachtet oder als Ehrenkodex damit die Begriffe „Ehrensache“, „Ritterlichkeit“, etc. verbindet. Zugleich wird dieser Anspruch wieder abgeschwächt, indem man ebenfalls noch in der Präambel hinzufügt:

„Ziel dieses Dokuments ist es, Kirchen, Kirchenräte und Missionsgesellschaften dazu zu ermutigen, ihre gegenwärtige Praxis zu reflektieren und die Empfehlungen in diesem Dokument zu nutzen, um dort, wo es angemessen ist, eigene Richtlinien für Zeugnis und Mission unter Menschen zu erarbeiten, die einer anderen Religion oder keiner bestimmten Religion angehören. Wir hoffen, dass Christen und Christinnen in aller Welt dieses Dokument vor dem Hintergrund ihrer eigenen Praxis studieren, ihren Glauben an Christus in Wort und Tat zu bezeugen.“


Was ist nun der Sinn und Zweck des Dokuments? Letztendlich wird das jeder selbst interpretieren müssen. Und dieser Umstand wird nicht zu mehr Klarheit innerhalb der beteiligten Organisationen führen. Vielmehr wird wohl jeder seine persönliche Interpretation des Dokuments als die korrekte betrachten und die anderen nach seinem Verständnis davon beurteilen. Dadurch wird sich die Lage wohl nicht gerade bessern.


Eine zweite Anfrage betrifft auch die weitere Wortwahl im Detail. Es wird viel von Liebe und Respekt, Sanftmütigkeit und Solidarität gesprochen, doch wie dies praktisch aussieht, darauf wird nicht weiter eingegangen. Es ist sehr wohl korrekt und notwendig, vor Machtmissbrauch und Täuschung zu warnen (Grundlagen 6.) Auch wo die Grenzen zum psychischen Machtmissbrauch von der Evangeliumsverkündigung abzugrenzen ist, bleibt dem persönlichen Verständnis des Lesers überlassen. Denn ein psychisches Moment ist in dieser immer enthalten. Auch kann das „Eintreten für Gerechtigkeit“ (Prinzipien 4.) je nach Verständnis unterschiedlich verstanden werden und zum Propagieren eines sozialen „Evangeliums“ missbraucht werden.


Eine dritte und wichtigste Anfrage an die Ersteller des Dokuments muss nun auch noch den Inhalt des Evangeliums betreffen. Es ist gut und schön, dass so viel vom Evangelium gesprochen wird, doch wurde gerade dieses Wort im Laufe der Kirchengeschichte zu sehr vielen und sehr unterschiedlichen „Evangelia“ uminterpretiert. So finden nun auch in unserem Dokument Vertreter aller möglichen Interpretationen ihren Anwalt.


So muss man sich letzten Endes ernsthaft fragen, ob dieses Dokument tatsächlich „kein Kompromissdokument“ ist oder ob sich hier nicht doch vielmehr herausstellen sollte, dass es zwar ein Meisterstück an Diplomatie ist, doch für die tägliche Praxis im Miteinander der Gemeinden und Kirchen keine weitere Hilfestellung bieten kann.


Quellen:


1. Das Dokument online

2. Theologische Kommission der WEA

3. Artikel in der Zeitschrift Pro-Medienmagazin

Donnerstag, 14. Juli 2011

Rahab und die rote Schnur

Rahab ist die Frau des Alten Testaments, die an den meisten unterschiedlichen Stellen im Neuen Testament genannt wird. Im Geschlechtsregister bei Matthäus ist sie eine von drei ganz besonderen Frauen, die nebst all den üblicherweise sonst genannten Männern vorkommt. In Hebräer 11 wird sie als eine der Glaubensheldinnen aufgezählt. In Jakobus 2 wird ihr Glaube als ein Glaube bezeichnet, der durch ihre mutige Tat unter Beweis gestellt wurde. In Josua 2 lesen wir von ihr.

Denn wir haben gehört, wie der Herr das Wasser des Schilfmeeres vor euch ausgetrocknet hat, als ihr aus Ägypten gezogen seid, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordan, getan habt, an denen ihr den Bann vollstreckt habt. Und als wir dies hörten, da wurde unser Herz verzagt, und es ist kein rechter Mut mehr in irgend jemand vor euch; denn der Herr, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden! Und nun schwört mir doch bei dem Herrn, daß, so wie ich an euch Güte erwiesen habe, auch ihr am Haus meines Vaters Güte erweisen werdet; und gebt mir ein sicheres Zeichen, daß ihr meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern samt allen ihren Angehörigen am Leben lassen und unsere Seelen vom Tod erretten werdet! [...] Da sprach sie: Es sei, wie ihr sagt! und ließ sie gehen. Und sie gingen hin; sie aber knüpfte die karmesinrote Schnur ins Fenster. (Josua 2, 10 - 13. 21)

Das Erste was wir von ihr lesen ist das: Wir haben gehört. Sie hat gehört und ist durch das Hören gläubig geworden. Das sagt uns Paulus in Röm. 10, 17 auch. Der Glaube kommt aus dem Hören von der guten Nachricht von Gott. Und diese Gute Nachricht, das Evangelium, ist nicht erst etwas Neutestamentliches, es beginnt mit 1. Mose 1, 1: Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.

Das Zweite, was wir von ihr lesen ist das: Sie bekennt sich zum Gott Israels. Sie sagt: Denn Jahwe, euer Gott, ist Gott im Himmel und auf Erden. Das ist ihr Glaubensbekenntnis und kommt von ganzem Herzen. Dieses Glaubensbekenntnis geschieht aber nicht nur mit den Lippen, sondern auch mit ihren Taten. Sie nimmt die Kundschafter des Gottesvolkes auf und führt die Soldaten in ihrer Stadt in die Irre. Sie hat sich entschieden für den Gott Israels und ist dafür bereit, sogar ihre eigene Heimat, ihr Zuhause, zu verraten.

Ein Drittes sehen wir: Sie wünschte sich ein Versprechen von Gott, eine Zusage, dass ihr Glaube belohnt wird. Sie hatte noch keine Bibel, in der alle Verheißungen drin stehen. Deshalb bat sie die Kundschafter, ihr zu versprechen, dass sie und ihre Familie unter Gottes Schutz stehen. Sie bekam auch diese Verheißung mit der Bedingung, dass sie in das Fenster, wo sie die Kundschafter herunterließ, ein Stück karminrote Schnur hängen solle.

Viertens sehen wir, dass ihr Gehorsam vollständig war. Er betrug 100%. Gott ist 100% treu und 100% genau im Einhalten Seiner Versprechen. Er möchte aber von uns auch 100%igen Gehorsam. Rahab war so gehorsam. Sie nahm keine grüne oder blaue Schnur, nein, eine karminrote Schnur musste her und in genau dieses eine Fenster gehängt werden. Dieses Fenster lag nach außen hin zur großen Verkehrsstraße, wo jeden Tag hunderte von Händlern und Käufern durchkamen. Wahrscheinlich wurde sie auch oft ausgefragt und ausgelacht wegen dieser Schnur, doch sie war bereit, den Preis des Spottes zu zahlen.

Diese blutrote Schnur ist ein Symbol für das Blut, das Jesus auf Golgatha für uns zur Erde fließen ließ. Auch Er war ausgestellt, verspottet und hatte mächtig zu leiden. Auch Er war geduldig und gehorsam bis zum Tod - dem schrecklichen Tod am Kreuz. Damit wir wieder mit Gott versöhnt leben können hat Er unsere Schuld bezahlt. Mit jedem Tropfen Blut, das aus Ihm auf die Erde floß. Und wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er treu und gerecht, dass Er unsere Schuld vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit! (1. Joh. 1, 9). Das ist Gottes Versprechen an jede und jeden von uns! Wie Rahab die Kundschafter beim Wort nahm, dürfen wir Gott beim Wort nehmen. Wie Rahab gehorsam war, und zwar mit Genauigkeit gehorsam, so dürfen auch wir Gott mit genauem Gehorsam dienen. Was ist zur Zeit deine rote Schnur? Ist es, dass du eine Gemeinde suchst und dich dort verbindlich einbringst? Ist es, dass du in deiner Gemeinde regelmäßig teilnimmst und mitmachst? Ist es, dass du andere Menschen in die Gemeinde einlädst? Sei gesegnet!

(Kurzfassung einer Predigt, gehalten am 26. Juni 2011)

Sonntag, 10. Juli 2011

Wer kannte wen?

Da ich die Geschlechtsregister im Alten Testament absolut spannend finde, habe ich mich mal dran gemacht, sie auszuwerten und geschaut, welcher der Patriarchen welche anderen noch live gekannt hat. Hier eine Grafik mit Tabelle und den Lebenszeiten als Diagramm. Das Jahr 0 ist die Erschaffung Adams. Henoch hat, wie wir wissen, kein Todesjahr, sondern wurde lebend zu Gott entrückt.


Die Sintflut kam demnach im Jahre 1656.

Freitag, 8. Juli 2011

Der Wächterruf

Menschensohn, rede zu den Kindern deines Volkes und sage ihnen: Wenn ich das Schwert über ein Land bringe, so nimmt das Volk des Landes einen Mann aus seiner Mitte und bestimmt ihn zu seinem Wächter. Wenn nun dieser das Schwert über sein Land kommen sieht, so stößt er ins Schopharhorn und warnt das Volk. Wenn dann jemand den Schall des Schopharhornes hört und sich nicht warnen lassen will, und das Schwert kommt und rafft ihn weg, so kommt sein Blut auf seinen Kopf; denn da er den Schall des Schopharhornes hörte, sich aber nicht warnen ließ, so sei sein Blut auf ihm! Hätte er sich warnen lassen, so hätte er seine Seele gerettet. Wenn aber der Wächter das Schwert kommen sieht und nicht ins Schopharhorn stößt und das Volk nicht gewarnt wird und das Schwert kommt und einen von ihnen wegrafft, so wird derjenige zwar um seiner Sünde willen weggerafft, aber sein Blut werde ich von der Hand des Wächters fordern. (Hesekiel 33, 2 - 6)

Diese Verse gehen mir seit vielen Jahren nach. Gott setzt Wächter ein. Hesekiel war so einer für das Volk Israel. Im Grunde ist jede und jeder von uns solch ein Wächter oder eine Wächterin für unsere Mitmenschen. Wie oft sehen wir, wie unsere geliebten Mitmenschen, Angehörige, Verwandte, Bekannte, gute Freunde, Nachbarn, Kollegen und so weiter, in ihr Verderben rennen. Sei es, dass sie ihre Ehe ruinieren, sei es, dass sie sich in falsche Abhängigkeiten, Süchte, Egoismus verstricken lassen, dass sie von Gott weglaufen und nichts mit IHM, dem Herrn der Herrn, zu tun haben wollen. Wir müssen nicht auf eine besondere Berufung warten, denn die Berufung besteht darin, dass wir das Schwert sehen über ihren Köpfen. Dadurch, dass wir das Unheil sehen, in das unsere Mitmenschen geradewegs hineinlaufen, sind wir von Gott bereits zum Wächterdienst berufen.
Ein Wächterdienst besteht aus zwei Teilen. Der eine Teil ist es, "in den Riss zu treten". Das bedeutet: Fürbitte zu tun für diese Menschen. Für sie zu beten, dass sie die Wahrheit erkennen und dem Schwert, das drohend über ihnen hängt, entfliehen können. Der zweite Teil ist der Wächterruf. Er besteht darin, dass wir diesen Menschen in Liebe aber mit klaren, deutlichen Worten erklären, welch ein Damoklesschwert über ihren Köpfen hängt, gar nur noch an einem seidenen Faden befestigt, der jederzeit reißen kann. Es ist unser Auftrag, ihnen dies klar zu machen, denn Gott hat uns zum Wächterdienst berufen. Man kann es aber auch Kain nachmachen, der fragte: "Bin ich denn meines Bruders Hüter?" Ja, du bist es. Ich bin es. Wir alle sind vor Gott füreinander verantwortlich. Wir dürfen es nicht auf die leichte Schulter nehmen, dass Gott uns mitteilen lässt: Wenn wir nicht ins Horn stoßen und deutlich machen, dass ein Unheil droht, so sind wir an diesem Unheil mitschuldig geworden. Sei mutig und geh voran als Wächter im Namen des HERRN!

Mittwoch, 6. Juli 2011

Praktische Konsequenzen ziehen

Aus dem gestern rezensierten Buch Wer bin ich, wenn ich online bin... ...und was macht mein Gehirn so lange? von Nicholas Carr habe ich versucht, ein paar Konsequenzen für mein tägliches Leben und den Umgang mit dem Computer und Internet zu ziehen. Da ich hochgradig schwerhörig bin, kann ich auf die digitale Kommunikation nicht einfach verzichten. Vielleicht sind die folgenden Punkte auch für jemand anders eine praktische Hilfestellung:

  1. Ich möchte meine Kräfte und meine Ressourcen möglichst sinnvoll und konzentriert nutzen.
  2. Ich habe meine kurzen Pausenzeiten, in welchen ich in den Foren, Social Medias und per eMail erreichbar bin, ansonsten sind diese Anwendungen geschlossen und können mich nicht erreichen.
  3. Ich lese so viel wie irgend nur möglich ist in Papierform, um mein Gehirn nicht an einen externen "Speicherplatz" zu gewöhnen, sondern möchte möglichst viel von dem Gelesenen auch aktiv bereithalten können. Dazu kann es auch sinnvoll sein, ein eBook mal auszudrucken, zum Beispiel mit der Funktion, die es einem erlaubt, zwei Seiten auf eine A4-Seite auszudrucken. Lesen kann man das meist nach wie vor und spart dadurch 50% an Papier und nochmal fast so viel an Tinte. Diese Vorgehensweise erlaubt es mir auch, die bedruckten Blätter mit Textmarkern einzufärben und meine Notizen handschriftlich dazu anzubringen.
  4. Ich denke über das nach, was ich gelesen habe und nach Möglichkeit suche ich andere Menschen, die sich auch mit dem Thema auskennen. Ich scheue dabei nicht, meine Sicht immer wieder erneut zu hinterfragen und bin bereit, sie bei besseren Argumenten auch zu revidieren.

Ich denke auf diese Weise kann man durchaus auch noch ein Stück weit selbst mitbestimmen, wie weit unser Gehirn vom Internet umfunktioniert wird. Wer noch mehr Tipps hat, immer nur her damit!



Dienstag, 5. Juli 2011

Wer bin ich, wenn ich online bin?

Das Internet verändert nicht nur unser Verhalten, sondern unser gesamtes Dasein als Menschen. Diese Feststellung macht Nicholas Carr in seinem Buch Wer bin ich, wenn ich online bin... ...und was macht mein Gehirn solange? Er beginnt im Prolog mit einer kurzen Zusammenfassung des Buches "Die magischen Kanäle" von Marshall McLuhan. Dieses Buch sei "eine Prophezeiung, in der die Auflösung des linearen Denkens vorhergesagt wurde." (S. 15) Auf anschauliche und auch erstaunlich selbstkritische und reflektierte Art und Weise durchleuchtet Carr in den folgenden Kapiteln, wie das Internet unser Denken beeinflusst und unser Gehirn verändert.

Spannend ist die Feststellung, dass jedes neue Werkzeug unser Gehirn verändert. Wenn wir zum Beispiel lernen, mit einer Zange umzugehen, so wird die Zange für das Gehirn zu einem Körperteil, bzw. das Gehirn "denkt" sich die Zange als Verlängerung des Arms. Anschaulich führt der Autor danach die Geschichte der wichtigsten menschlichen Werkzeuge aus: Schrift, Karte, Uhr, Buchdruck, Phonograph, Radio, Computer, Internet. Jedes neue Werkzeug beinhaltet auch ein eigenes Ethos. (Der Autor nennt es "die geistige Ethik"). Da zuerst Bücher laut gelesen wurden, weil die Schrift noch keine Lücken zwischen den Worten kannte und das Lesen deshalb anstrengend war, veränderte sich die "geistige Ethik" des Buches mit der Einführung von Satzzeichen und Lücken zwischen den Worten: "Die Entwicklung des Wissens wurde zunehmend zu einem privaten Akt, bei dem jeder Leser in seinem eigenen Geist eine persönliche Synthese der Gedanken und Informationen schuf, die ihn durch die Schriften anderer Denker erreichten. Der Gedanke des Individualismus wurde dadurch immer stärker." (S. 113)

Das Internet und auch seine Texte bestehen zu einem Großteil aus Hyperlinks. Diese sind Verweise, die mitten im Text stehen. Sie führen uns direkt dorthin, worauf sie verweisen. Dies führt verschiedenen Studien zufolge zu einer starken Belastung unserer Ressourcen im Gehirn. Das Auswerten von Verweisen während des Lesens ist eine sehr anstrengende Sache. Carr schreibt dazu: "Wann immer wir - als Leser - auf einen Hyperlink stoßen, müssen wir wenigstens für einen Sekundenbruchteil innehalten, damit unser präfrontaler Kortex entscheiden kann, ob wir ihn anklicken sollen oder nicht. [...] In dem Augenblick, in dem sich die exekutiven Funktionen des präfrontalen Kortex zusätzlich einschalten, wird unser Gehirn nicht nur trainiert, sondern überfordert. [...] Bei der Online-Lektüre opfern wir die Ressourcen, die ein vertieftes Lesen erst ermöglichen, sagt Maryanne Wolf. [...] Unsere Fähigkeit, jene reichen geistigen Verbindungen zu bilden, die beim ungestörten und konzentrierten Lesen entstehen, bleibt dabei weitgehend ungenutzt" (S. 194)

Da unser Gehirn jedes Werkzeug als ein neuer Teil des Körpers betrachtet, sieht er nun auch den Computer und das Internet als einen externen Speicher an. Anders gesagt: Das Gehirn verlässt sich auf den Speicher namens Internet und benutzt sich selbst vornehmlich als "Wissen, wie man zum Wissen kommt". Es wird mehr nur noch der "Datenpfad", die "Datenstruktur" zur gewünschten bzw. gelesenen Information gespeichert, der eigentliche Inhalt geht nur noch über äußerst viel Lernen in den Kopf rein. Das eigentliche Verstehen, das persönliche Verständnis des Gelesenen bleibt dabei außen vor. Ein weiterer Faktor ist auch die Tatsache, dass das Internet mit seiner vernetzten Datenstruktur eine relativ ähnliche Struktur aufweist wie das Gehirn mit seiner Vernetzung via Synapsen. Die beiden Netze sind "grundsätzlich kompatibel und leicht zu verbinden". (S. 329)

Nicht zuletzt sollte man laut Nicholas Carr auch bedenken, dass das Internet und auch der Computer ganz allgemein uns immer mehr Möglichkeiten geben, unsere Entscheidungen, die eigentlich nicht nur Wissen, sondern Weisheit benötigen, an eine Rechenmaschine abzuschieben. Die immer leichter und intuitiver zu bedienenden Programme, Oberflächen und Browser führen uns doch allzu gerne in Versuchung, nicht mehr selbst entscheiden zu müsse, sondern sich einen "Tipp" anzeigen zu lassen, der uns die Entscheidung (und damit vermeintlich auch die Verantwortung für unser Handeln) abnimmt. Carr hat damit ein sehr empfehlens- und überdenkenswertes Buch geschrieben.

Man muss nicht in allem seiner Meinung sein, um dennoch erkennen zu können, dass das Internet weit größere Folgen für die Menschheit und unsere Zukunft hat, als wir gerne zugeben. Hier kann das Buch bestellt werden.

Gottes Führung vertrauen

Es gibt viele Christen, die ein halbes Leben lang mit Warten zubringen. Warten auf einen speziell für sie gemachtes Zeichen, auf ein Wunder, auf eine Erscheinung des Herrn, um sich in eine bestimmte Aufgabe senden zu lassen. Nicht selten ist dieses Warten ein Ausdruck der Angst vor dem Ungewissen, was folgen wird. Eine Angst vor dem, was kommt, wenn man ganz auf Gott vertraut. Wie anders haben doch unsere Vorfahren im Glauben gehandelt. Paulus und Timotheus waren auf einer Missionsreise unterwegs:

Als sie aber Phrygien und das Gebiet Galatiens durchzogen, wurde ihnen vom Heiligen Geist gewehrt, das Wort in [der Provinz] Asia zu verkündigen. Als sie nach Mysien kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu reisen; und der Geist ließ es ihnen nicht zu. Da reisten sie an Mysien vorbei und kamen hinab nach Troas. Und in der Nacht erschien dem Paulus ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand vor ihm, bat ihn und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber dieses Gesicht gesehen hatte, waren wir sogleich bestrebt, nach Mazedonien zu ziehen, indem wir daraus schlossen, daß uns der Herr berufen hatte, ihnen das Evangelium zu verkündigen. (Apostelgeschichte 16, 6 - 10)

Sie warteten nicht und beteten, ob sie irgend eine Weisung von Gott bekämen. Sie zogen los, weil sie wussten, dass die Verkündigung des Evangeliums ihre Aufgabe war. Das ist die Aufgabe von jedem und jeder von uns, solange wir leben. Sie machten sich Pläne und zogen los. Erst in diese Pläne hinein sprach Gott und zeigte ihnen, wo ER sie haben wollte.

Auch wir dürfen unseren Verstand benützen und uns Gedanken und Pläne machen, uns überlegen, was wir für die Gemeinde Jesu tun können. Unser Glaube zeigt sich nicht im Warten und Beten, sondern im Vorwärtsgehen. Das Vorwärtsgehen ist der Ort, an welchem Gott Sich uns offenbaren möchte. Auch Mose musste zuerst vorwärts gehen, auf den brennenden Dornbusch zu, bevor Gott Sich ihm offenbaren wollte.

Deshalb: Sei tapfer und mutig und bereit, voran zu gehen. Gott ruft uns in jedem Vers Seines Wortes die Botschaft zu: Dass Er Sich uns offenbaren und uns Seine Pläne zeigen möchte. Die Bereitschaft, Ihm zuzuhören, zeigen wir durch unser mutiges Vorwärtsgehen. Verzagtheit und Warten (auch wenn es durch Fasten und Beten getarnt wird) ist ein Ausdruck unseres Unglaubens.

Vertraue auf den Herrn und geh voran, Er hat dir versprochen, dich zu führen und zu leiten!